Foodporn Medienproduktionen im Restaurant

„Vorsicht, das ist sehr heiß!“ – diesen Warnhinweis kann sich das Servicepersonal heute in den meisten Fällen sparen. Denn vor dem Griff zum Besteck ist ohnehin der zum Smartphone angesagt. Schnell wird die Tischdecke in Form gezupft. Der Tischnachbar hilft mit seinem Handy beim Ausleuchten. Und in Windeseile entsteht ein Fotostudio auf Zeit. Während das Lammfilet langsam auskühlt, wird es fachmännisch in Szene gesetzt: Perspektive etwas steiler, Filter drüber, ab zu Instagram. Und von da an wird alle zwei, drei Bissen gecheckt, wie die Follower reagieren. Denn ob sich ein Restaurantbesuch gelohnt hat, ist für viele Influencer – und solche, die es werden wollen – nicht eine Frage des Geschmacks, sondern der Likes.

Wie ich als Koch den „Foodporn“ in den Sozialen Netzwerken so sehe, werde ich von Gästen tatsächlich öfter mal gefragt. (Besonders von denen, die nicht jeden Gang  fotografisch dokumentieren.) Und ehrlich gesagt, bin ich da hin- und hergerissen. Natürlich sind Instagram-Fotos und Facebook-Posts für Restaurants tolle, kostenlose und vor allem authentische Werbung. Ich freue mich über jeden Gast, der seine Begeisterung für unser Restaurant mit der ganzen (Netz-)Welt teilt; und ich bin durchaus auch ein bisschen stolz, dass es mich inzwischen sogar als Hashtag gibt.

Zugleich finde ich den Gedanken schwierig, dass meine Gerichte rein auf ihr Aussehen reduziert werden. Ein guter Koch schafft in erster Linie Genuss für den Gaumen – und erst danach fürs Auge (das isst schließlich nur mit). Dekoration ist niemals Selbstzweck; gute Küche zeichnet sich nicht dadurch aus, Gerichte möglichst Like-fördernd anzurichten, sondern darauf Acht zu geben, dass optische Akzente auch in die kulinarische Komposition passen. Denn auf die Stimmigkeit genau dieser Komposition kommt es in erster Linie an.

Mein ehrlicher Rat an alle Influencer ist daher: Fotografiert, so viel ihr wollt – aber vergesst darüber nicht, wirklich zu genießen. Was heiß serviert wird, sollte nicht kalt gegessen werden; mitunter sind die am wenigsten fotogensten Gerichte die köstlichsten; und manchmal ist es am schönsten, ein Abendessen nur mit wenigen, lieben Menschen zu verbringen als mit seinen 100 Millionen anonymen Followern.

Tom Tautz